(Nearly) Perfect Secret Santa

December 3, 2021

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Es ist Anfang Dezember und somit nicht nur kalt, sondern für viele von uns die Zeit des Wichtelns. Jeder kennt es, jeder liebt es. Naja fast, außer man zieht halt jemanden, den man nicht so gern (beschenken) mag. Aber von Anfang an. Wichteln geht im Grunde so: In einer Gruppe von sagen wir $n$ Personen (in meinem Fall ist es $n = 6$) wird jeder dieser Personen anonym genau eine andere Person der Gruppe zugelost, für die man dann zu Weihnachten ein Geschenk besorgen soll. Klingt ja erstmal ganz einfach und recht praktisch, schließlich muss man dann statt $n-1$ Geschenken nur eines besorgen. (Man bekommt halt auch nicht $n-1$ Geschenke, sondern nur eines… Aber gut.)

Wie genau losen wir am besten aus?

Ihr müsst euch das so vorstellen: Wir sitzen also gemütlich zu sechst am Küchentisch, beschließen heuer zu Weihnachten zu wichteln, diskutieren über die Budget-Obergreze und ob 3,76€ drüber noch ok wären oder nicht. (Die Antwort ist natürlich ja.) Als nächstes geht es um die Art der Zulosung und es stellt sich die Frage, wie wir das am besten anstellen sollten. Meli schlägt vor, für die Zulosung der Einfachheit halber ein Online-Tool zu verwenden, zum Beispiel das mit dem fancy Namen „Wichtel-O-Mat“, und ich schließe mich dem Vorschlag an. Die Mehrheit jedoch möchte es lieber klassisch und „wirklich einfach“ machen, so mit Papier und Schere. Ob es wirklich einfach ist, wird sich noch rausstellen. Jedenfalls holt jetzt unser Oberwichtel Roswitha sofort Papier, Schere und einen Stift heraus, zerschneidet das Papier in sechs Teile, beschriftet die kleinen Zettel mit den Namen aller sechs Personen und legt es verkehrt auf den Tisch.

Irgendjemand schlägt vor, dass wir reihum jeweils ein Kärtchen ziehen. Lukas beginnt, nimmt sich ein Los und dreht es um. Freude in seinen Augen, da hat er wohl gut getroffen. Ich ziehe als zweites, bin auch höchst zufrieden mit dem Los und überlege schon, was ich denn so verschenken könnte. (Dazu sollte man wohl wissen, dass ich generell gerne Leute beschenke und ich wohl mit allen Losen höchst zufrieden gewesen wäre.) Dann zieht Meli und anschließend Rudi, beide schauen ihr Los an und – Rudi hat sich selbst gezogen. Sich selbst zu beschenken ist zwar recht einfach, aber vielleicht doch irgendwie blöd und langweilig. Was machen wir jetzt? Nimmt nur Rudi ein neues Los oder sollten wir alle unsere Lose zurücklegen und nochmal von vorne beginnen? Schnell wird klar, dass die erste Variante die eine oder andere Schwachstelle hat: Beispielsweise kann nicht verhindert werden, dass die letzte Person ihren eigenen Namen zieht, spätestens dann müssten wir also sowieso auf die zweite Variante umsteigen. Außerdem ist Anonymität nicht wirklich garantiert: Angenommen, der Vorletzte zieht sich selbst, legt sein Los wieder zurück und nimmt das andere. Na, wen wird die letzte Person dann wohl ziehen? Außerdem hängt die Wahrscheinlichkeit, den Namen einer gewissen Person zu ziehen, stark davon ab, an welcher Position man beim Ziehen drankommt. Das klingt unfair, also entscheiden wir uns für Variante 2. Ich gebe genau wie die anderen mein Los wieder zurück und verabschiede mich vom perfekten Geschenk, das in meinen Gedanken schon längst im Warenkorb des Onlineshops liegt – wir sind ja leider im Lockdown. Dann halt vorerst nicht.

Wir beginnen das Spiel also wieder von vorne: Diesmal zuerst Rudi, dann Lukas, dann ich, dann Meli – und schon wieder ist es passiert, auf Melis Zettel steht „Meli“. Mist. Spätestens jetzt wird klar: Das ist ein wenig nervig. Während wir das ganze also zum 17. Mal durchspielen, schwirren mir zwei Fragen durch den Kopf:

  • Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Runde zumindest irgendeine Person sich selbst zieht? Und wie oft müssen wir im Durchschnitt auslosen, damit wir eine Runde schaffen, in der niemand sich selbst zieht? (Kurze Antwort: 17 Mal war leicht übertrieben.)
  • Gibt es da nicht eine bessere Methode als unsere? (Kurze Antwort: Ja.)

Gute Zulosungen und deren Wahrscheinlichkeit

Betrachten wir das Ganze der Einfachheit halber nur für $n=6$ Personen, für eine andere Anzahl von zumindest vier Personen würden wir aber zum selben Ergebnis kommen. Das Ergebnis einer Zulosung, bei der niemand sich selbst gezogen hat, nennen wir ab jetzt gut und die anderen schlecht. Wir können uns leicht überlegen, dass es insgesamt \begin{equation} 6 \cdot 5 \cdot 4 \cdot 3 \cdot 2 \cdot 1 = 720 \end{equation} Möglichkeiten gibt, wie eine Zulosung bei sechs Personen ausgehen kann: Die erste Person, die ein Los zieht, hat sechs Möglichkeiten (alle sechs Namen liegen noch am Tisch); die zweite ziehende Person hat noch fünf Möglichkeiten (ein Name wurde ja schon vorher gezogen); die Person, die als drittes am Zug ist, hat nur noch vier Möglichkeiten, zwei Namen sind ja schon weg; setzt man das fort und kombiniert die Möglichkeiten miteinander, so erhält man obige Zahl. Hierbei werden sowohl gute und als schlechte Ergebnisse gezählt. Nun sind wir aber nicht an allen möglichen Zulosungen interessiert, sondern nur an den guten; das sind klarerweise weniger als alle möglichen. Für die ungefähre Anzahl dieser Zulosungen gibt es folgende Formel (deren Begründung jedoch etwas über diesen Blog-Post hinaus geht): Die Anzahl der guten Zulosungen ist ungefähr die Anzahl aller Zulosungen dividiert durch die Euler’sche Zahl $e = 2{,}71828\ldots$, was circa \begin{equation} \frac{720}{e} \approx 265 \end{equation} ergibt. Um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, mit welcher wir genau eines dieser guten Ergebnisse erwischen, dividieren wir die Anzahl der guten durch die Anzahl aller Ergebnisse und erhalten \begin{equation} \frac{\frac{720}{e}}{720} = \frac{1}{e} \approx 0{,}37 = 37\%. \end{equation} Umgekehrt liegt die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest eine Person sich selbst zieht, bei ungefähr $63\%$. Das ist viel, finde ich. In etwas mehr als jedem dritten Durchgang erhalten wir also durchschnittlich ein gutes Ergebnis, in allen andern nicht. Um etwas präziser zu sein: Im Durchschnitt benötigen wir rund $2{,}71828$ Durchgänge, bis niemand sich selbst gezogen und hoffentlich alle zufrieden sind. Schön.

Die (fast) perfekte Methode von Hannah Fry

Aber geht das jetzt nicht besser? Das müsste doch besser gehen, oder? Im Idealfall wäre es doch nett eine Methode zu verwenden, bei der es schon in der ersten Runde mit Sicherheit niemand sich selbst zieht und man die Ziehung nie wiederholen müsste. Eine mögliche Variante ist die folgende, die von Hannah Fry in einem Numberphile-Video präsentiert wird. Sie besteht aus den folgenden vier Schritten:

  • Wir bereiten sechs Zettel vor und teilen jeden davon in zwei Teile. Auf die sechs oberen Hälften der Zettel schreiben wir „Du bist Nummer 1“, „Du bist Nummer 2“, … , „Du bist Nummer 6“, und auf die sechs unteren Teile schreiben wir „Du beschenkst Nummer 1“, „Du beschenkst Nummer 2“, … , „Du beschenkst Nummer 6“.

  • Danach drehen wir die Zettel um, sodass nichts mehr sichtbar ist. Wir mischen sie kurz durch, legen sie im Kreis aus und zerschneiden sie dann verdeckt jeweils genau in der Mitte. Nun schieben wir die untere Hälfte jeweils um eine Position weiter und kleben sie wieder (nach wie vor verdeckt am Tisch liegend) mit Tixo zusammen. Dieser Schritt verhindert, dass irgendjemand sich selbst beschenken muss.

    Hier sind die bisherigen Schritte nochmal animiert dargestellt:

  • Wir mischen die Kärtchen jetzt erneut und verteilen Sie dann an die sechs Personen. Jede*r von uns dreht das erhaltene Kärtchen um und trägt den eigenen Namen gemeinsam mit der Nummer vom oberen Teil des Kärtchens („Du bist Nummer … “) in eine Liste ein. Wenn sich alle eingetragen haben, ist für alle klar, wen sie beschenken müssen: Man schaut einfach in der Liste nach, zu wem die untere Nummer auf meinem Kärtchen gehört. Super!

Warum die Methode nur fast perfekt ist? Weil die Zulosung nicht komplett anonym ist: Ich kann ausschließen, dass jene Person mich beschenkt, die ich beschenke. Mit ein wenig zusätzlichem Aufwand könnte man auch das noch korrigieren, aber das ist den Aufwand wohl nicht wert. Wir sind jetzt höchst zufrieden mit dem Ergebnis!

Da wir das mit der Zulosung nun geschafft hätten, brauche ich nur noch ein passendes Geschenk für … naja, das wird hoffentlich bis Weihnachten eine Überraschung bleiben. Ich möchte nur so viel verraten: Ich bin höchst zufrieden mit meinem Los. Und dann ist es auch schon fast vollbracht, das endlich perfekte Weihnachtswichteln!

PS: Natürlich hätte man auch einfach den Wichtel-O-Mat nehmen können. Aber das wär sicher viel langweiliger gewesen – und über Mathe nachgedacht hätten wir dabei wahrscheinlich auch nicht. Und das wäre wahrlich ein Jammer gewesen!


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